Reimar Gilsenbach: Von Tschudemann zu Seemann. Zwei Prozesse aus der Geschichte deutscher Sinti. Interface-Reihe, Paris: Centre de recherches tsiganes und Berlin: Edition Parabolis, 2000.

188 Seiten, Paperback, ISBN 3-88402-202-4

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Inhalt:
Einleitung • Erster Teilband: Tschudemann • Der Prozeß gegen das „Hohe Korps vom Heiligen Kreuz“ und den „Zigeunerkönig“ Johannes Rosenberg • Die Lebensweise der Brandenburger Sinti von 200 Jahren • Vom Recht des Staates und vom Recht der Sinti • „Zigeuner“ oder Roma – eine Nation unter eigener Gerichtsbarkeit? • Nachträgliche Ortstermine zu Tschudemann • Zweiter Teilband: Seemann • Vorwort zum zweiten Teilband • Sinti unter Zirkel und Ährenkranz – frühe Begegnungen • Das „Zigeunerlager“ am Großen Silberberg • Ein Denkmal für die aus dem Ehrenhain ausgeschlossenen Sinti? • Das Denkmal und seine Einweihung • Magdeburger Sinti und Roma unter dem Hakenkreuz – Versuch einer Bilanz • Zum Gedenken • Endnoten • Glossar • Bibliographie • Verzeichnis der Illustrationen  


Von „Tschudemann zu Seemann“ wird hier ein Bogen gespannt, der in der Geschichte der Verfolgung der Brandenburger Sinti erschreckende Höhepunkte nachzeichnet. Die persönliche Schilderung der Einzelschicksale verbindet die Nachkommen Tschudemanns mit ihren Vorfahren des beginnenden 19. Jahrhunderts. Der Begriff Prozeß im Untertitel dieses Doppelbandes ist in der zweifachen Bedeutung des Wortes zu verstehen: Einmal als Verfahren vor einem Gericht, zum anderen als ein historischer Vorgang, der sich über eine gewisse Zeit erstreckt.

Der erste Teilband handelt von jenem Prozeß, den das preußische Kammergericht in den Jahren 1800 bis 1802 gegen Johannes Rosenberg und andere Sinti angestrengt hat. In diesem Prozeß ging es zunächst nur um eine gestohlene Gans. Das Verfahren weitete sich jedoch bald zu der Anklage aus, der „Zigeunerkönig“ Johannes Rosenberg, genannt Tschudemann, und seine Mitbeschuldigten hätten sich zu einer geheimen „Zigeunerverschwörung“ zusammengeschlossen. Es folgte die Festnahme so gut wie aller damals im Land Brandenburg lebenden Sinti.

Das zentrale Thema des zweiten Teilbandes ist die Geschichte des Denkmals für die mehr als 600 Magdeburger Sinti und Roma, die dem Holocaust zum Opfer gefallen sind. Die Quellen zu diesem Teil sind vor allem persönliche Erinnerungen. Kurt Ansin, dessen Sinti-Name „Seemann“ lautete, war einer der wenigen überlebenden Sinti Magdeburgs.

Zwischen den beiden Teilen des Buches besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. Zu einem historischen Vergleich fordert eher der Gegensatz heraus: Während der Prozeß von 1802 nach preußischem Recht und Gesetz vonstatten ging, erfolgte die Vernichtung der Magdeburger Sinti in einer Zeit völliger Rechtlosigkeit für die „Zigeuner“. Die Verbindung beider Teilbände besteht in dem widersprüchlichen Schicksal von elf Sinti-Familien: Fischer, Franz, Freiwald, Friedrich, Herzberg, Munck, Rosenbach, Rosenberg, Schmidt, Steinbach, Strauss. Diese Namen finden sich in den Tschudemann-Akten ebenso wie unter jenen Sinti, von deren Leidensweg der zweite Teilband berichtet.