Reimar und Hannelore Gilsenbach: Reisen großer Entdecker von Hatschepsut (um 1480 v. Chr.) bis Pizarro (1532-1533). München: Middelhauve Verlags GmbH für Der Kinderbuchverlag Berlin, 2000.

64 Seiten, Hardcover, ISBN 3-358-02237-4
Gedruckt in einer limitierten Erstauflage von 50 Exemplaren.

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Inhalt:
Fünf Schiffe der Pharaonin Hatschepsut fahren nach Punt • Der Karthager Hanno erkundet Afrikas Küste bis zum Götterwagen • Worüber Herodot im mächtigen Babylon und in Ägypten staunt • Alexander der Große sucht mit seinem Heer das Ende der Welt • Erik der Rote siedelt in Grönland, sein Sohn Leif entdeckt Amerika • Sindbad der Seefahrer und andere Kaufleute auf Kurs nach China • Marco Polos lange Reise an den Hof des Großkhans Kublai • Der Gelehrte Ibn Battuta durchwandert das Weltreich des Islams • Christoph Kolumbus findet die Neue Welt • Amerigo Vespucci – der Mann, nach dem Amerika seinen Namen trägt • Vasco da Gama eröffnet für Portugal die Schiffsroute nach Calicut • Hernán Cortés, Konquistador, unterwirft den König der Azteken • Fernando Magellan folgt der Idee des Kolumbus und umsegelt die Welt • Francisco Pizarro – ein Schweinehirt zerstört das Reich der Inka


Lange bevor die Menschen die Schrift erfunden haben, sind Wagemutige auf Fernreisen gegangen. Zu den Sachzeugen, die das bestätigen, gehört der Bernstein, er ist eines der ältesten Handelsgüter. Dieses versteinerte Harz kommt nur an den Küsten der Nordsee und der Ostsee vor. Schmuck aus Bernstein ist aber in Ägypten und in Vorderasien schon vor vier Jahrtausenden Toten mit ins Grab gegeben worden. Wie mag er dorthin gelangt sein? Hat der eine Händler ihn an den nächsten weitergegeben? Oder sind Kaufleute von der Ostsee bis nach Ägypten gereist? Wir wissen es nicht. Erwiesen ist nur, daß schon in sehr früher Zeit Bernstein und andere kostbare Handelsgüter zwischen weit voneinander entfernt lebenden Völkern ausgetauscht wurden.

Zuverlässige Kunde über eine Reise in fremde Länder kann nur dann aufbewahrt werden, wenn ein schriftlicher Bericht darüber vorliegt. Die älteste Beschreibung einer Erkundungsfahrt ist in einem ägyptischen Tempel erhalten geblieben, eine Urkunde zum Ruhme der Pharaonin Hatschepsut. Mit ihr beginnt dieses Buch. Die meisten Reiseberichte des Altertums sind nur in Bruchstücken überliefert, zudem oft bewußt entstellt oder mit Phantasterei ausgeschmückt. In den Sagas der Wikinger oder im arabischen Märchen von Sindbad dem Seefahrer lassen sich Dichtung und Wahrheit nicht voneinander trennen, es sei denn, ergänzende Berichte oder Funde geben zuverlässigere Auskunft.

Welcher Stachel hat die frühen Entdecker in die Ferne getrieben? Die Neugier, zu wissen, was jenseits der Gebirge, Wüsten und Meere liegt? Der Wunsch, durch Handel reich zu werden? Kriegerische Unternehmungen? Waren sie auf Raub aus? Oder suchten sie als Auswanderer neues Siedlungsland?
Meist war es wohl eine Mischung aus alledem. Abenteuerlust, Wissensdurst und Goldgier trieben oft ein und denselben Entdecker, er konnte Seefahrer und Pirat, Handelsmann und Verbrecher, religiöser Eiferer und Sklavenjäger zugleich sein.
Im Jahre 802 empfing Karl der Große in der Kaiserpfalz zu Aachen eine Gesandtschaft Harun ar-Raschids, des Kalifen von Bagdad. Als Geschenk brachte sie einen Elefanten mit. Karl der Große war zwei Jahre vorher vom Papst zum Kaiser gekrönt worden. Nach dem Zerfall des antiken römischen Reiches war in Europa zum ersten Mal wieder ein mächtiger Staat entstanden, und es war wieder an Weltpolitik und Fernhandel zu denken.

Der Versuch des Kaisers und des Kalifen, untereinander Beziehungen anzuknüpfen, mißlang. Zu krass waren die Gegensätze, zu weit die Entfernungen. Die Welt des Mittelalters blieb in zwei große, miteinander verfeindete Herrschaftsgebiete gespalten. Sie waren geprägt von zwei Religionen, zwei Kulturen ? im Norden das christlich-lateinische „Abendland“, im Süden das islamisch-arabische „Morgenland“. Für Jahrhunderte standen ihre Staaten einander unversöhnlich gegenüber.
Was arabische Kaufleute zur Zeit der Kalifen von ihren Reisen nach Indien und China an neuem geographischem Wissen mitbrachten, ist in Europa kaum bekannt geworden. Und wenn überhaupt, dann nur märchenhafte Kunde von Sindbad dem Seefahrer und anderen Reisenden in ferne Fabel-Länder.

Am nördlichen Rand der damals bekannten Welt waren die Wikinger die wagemutigsten Entdecker. Sie sind lange vor Kolumbus bis nach Nordamerika gesegelt. Aber auch ihre Fahrten blieben Legenden; sie sind nicht ins mittelalterliche Weltbild der Christenheit aufgenommen worden, erst recht nicht in das des Islams.
Im 13. und 14. Jahrhundert begann das Bild der Ferne sich zu weiten. Zwei Reisende vor allen anderen trugen dazu bei: der Christ Marco Polo und der Moslim Ibn Battuta.
Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, die Erde sei eine Kugel. Neues Wissen, neue Techniken der Seefahrt bereiteten vor, was gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Erdkarte von Grund auf veränderte: das Zeitalter der Großen Entdeckungen.
Als nicht „entdeckt“ galt damals jedes Land, jedes Meer, das in Europa noch unbekannt war. Zwar lebten in jenen Ländern seit Jahrzehntausenden Menschen, in einigen von ihnen gab es sogar Hochkulturen und große Staaten wie das Reich der Azteken in Mexiko, das der Inka in Peru oder das Königreich Mali in Afrika. Aber solange keine europäischen Seefahrer zu ihnen vorgedrungen waren, zählten sie zu den unentdeckten Gebieten, zu den weißen Flecken auf der Erdkarte. Hinter dem Begriff „Entdeckungen“ verbirgt sich, genau genommen, der Anspruch einiger Staaten Westeuropas, die Welt zu beherrschen und ihre Bewohner zu unterwerfen.

Im 15. und 16. Jahrhundert waren Spanier und Portugiesen die führenden Entdecker. Seefahrer aus diesen Staaten überquerten den Atlantischen, den Indischen und den Pazifischen Ozean: Kolumbus segelte über den Atlantik und brachte Kunde von der „Neuen Welt“; Vasco da Gama umrundete Afrika und fand den Seeweg nach Indien; einem Schiff Fernando Magellans gelang die erste Weltumsegelung.
Rund um den Erdball pflanzten europäische Entdecker die Fahnen ihrer Könige in fremde Erde; wer die neu entdeckten Länder als erster betrat, nahm sie für seinen Staat in Besitz. In den Bewohnern dieser Länder sahen die spanischen und portugiesischen, die niederländischen, englischen und französischen Seefahrer zumeist nur „Wilde“, die sie nach Belieben ihrer Freiheit und ihrer Gottheiten berauben, zu Sklaven machen und ausbeuten, zu Tributzahlungen und zum Christentum zwingen durften. Mit Kreuz und Schwert entdeckten und unterjochten die „Großen Entdecker“ eigenständige Völker, die nichts sehnlicher gewünscht hätten, als von solchen Entdeckern verschont zu bleiben.

Die Ureinwohner aller Erdteile leiden bis heute unter den Folgen von Landraub, Unterdrückung und Gewalt. Fast immer bedeutete ihre „Entdeckung“ auch einen Angriff auf ihre überlieferte Kultur, mit der sie über viele Jahrtausende hinweg zu überleben verstanden – im dichten Dschungel, in kargen Gebirgen, im Wüstenland oder in eisiger Kälte. Doch das Selbstbewußtsein dieser Völker wächst, und auch die Zahl ihrer Unterstützer nimmt weltweit zu. Die Vereinten Nationen in Genf erklärten den Zeitraum von 1994 bis 2004 zum Internationalen Jahrzehnt der „indigenen“ (eingeborenen) Völker.